Immer wieder finanzieren Unternehmen -Deals mit Aktien: Der Merger des niederländischen Mischkonzerns DSM und des Aromenherstellers Firmenich erfolgt über einen Aktientausch, nach dem die bisherigen DSM-Aktionäre 65 Prozent an dem neuen Unternehmen halten werden. Auch in Deutschland gibt es ein aktuelles Beispiel: Die Übernahme des Telekomausrüsters Adva Optical durch den Wettbewerber Adtran finanzieren die US-Amerikaner mit Aktien. Der Deal wurde Mitte Juli abgeschlossen.
Jedoch sind nicht alle Aktientauschangebote in Deutschland erfolgreich: So untersagte die Bafin im vergangenen Jahr die geplante Übernahme von Kromi Logistik durch das Biotechunternehmen 4Basebio. Der Grund: Die angebotenen Aktien erfüllten nicht die Liquiditätsanforderungen. „Die Durchführung von Aktientauschangeboten ist in Deutschland kompliziert und an sehr strenge Anforderungen geknüpft“, ordnet Siegfried Büttner, Rechtsanwalt bei Kirkland & Ellis, ein.
Der Rechtsanwalt ist trotzdem davon überzeugt, dass sich Aktientauschangebote für Bietergesellschaften lohnen können – wenn sie einige wichtige Punkte beachten.
Die Vor- und Nachteile von M&A-Deals mit Aktientausch
Die Vorteile eines mit Aktien finanzierten M&A-Deals liegen auf der Hand: Der Bieter braucht keine Barmittel oder eine Brückenfinanzierung, um den Kaufpreis aufzubringen. Darüber hinaus können die Aktionäre, die ihre Papiere andienen, nach der Übernahme und dem Zusammenschluss der Firmen von der Wertsteigerung des neuen Unternehmens profitieren – übernehmen aber auch das Risiko, dass der Kurs nach dem Deal sinkt.
Dafür ist die Bewertung des Zielunternehmens schwieriger als bei einer Barofferte, denn ihr Wert muss in Aktien des kaufenden Unternehmens gemessen werden. Die Schwierigkeit bei der Unternehmensbewertung ist einer der Hauptgründe, weshalb Aktientauschangebote in Deutschland so streng reguliert sind – ein Aspekt, den CFOs dringend beachten müssen, wenn sie eine solche Transaktion in Erwägung ziehen.
Bieter muss umfassende Angebotsunterlage erstellen
Zwei Punkte sind bei Aktientausch-Deals besonders wichtig. Der erste betrifft die Vorbereitung der Transaktion: „Weil ein Aktientauschangebot für den Aktionär schwieriger zu bewerten ist als eine Barofferte, muss der Bieter deutlich mehr Informationen zu dem Übernahmeangebot veröffentlichen“, erläutert Rechtsanwalt Büttner. Damit soll der Aktionär ein informiertes Urteil über die Offerte treffen können.
„Weil ein Aktientauschangebot für den Aktionär schwieriger zu bewerten ist als eine Barofferte, muss der Bieter deutlich mehr Informationen zu dem Übernahmeangebot veröffentlichen.“
Siegfried Büttner, Rechtsanwalt bei Kirkland & Ellis
Die Dokumentation ist dabei ähnlich umfangreich wie bei einem Wertpapierprospekt für einen Börsengang. „Der Bieter muss nicht nur den Hintergrund des Angebots, die strategische Rationale der Transaktion sowie die Gegenleistung beschreiben, sondern auch Informationen zur Bietergesellschaft und der zum Tausch angebotenen Aktien bereitstellen“, zählt Büttner einige Aspekte auf.
Die Angebotsunterlage sei mehrere hundert Seiten umfangreich und die Erstellung dauere mehrere Wochen, so der Rechtsanwalt. Sind die zum Tausch angebotenen Aktien der Bietergesellschaft zudem noch nicht zum Handel zugelassen, muss der Bieter vor dem Handel der Aktien einen kompletten Zulassungsvorgang durchlaufen – inklusive Zulassungsprospekt, den die Bafin absegnen muss. „In diesem Fall kann sich der Prozess durchaus noch einmal mehrere Monate hinziehen“, sagt Büttner.
Strenge Liquiditätsanforderungen an neue Aktien
Der zweite Punkt dreht sich um die Anforderungen an die neuen Aktien: Diese müssen liquide sein. Doch was bedeutet das genau? „In einem Präzedenzfall hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass die Liquidität durch die folgenden Kriterien bestimmt ist: Die Aktien müssen täglich an einem organisierten Markt gehandelt werden, es muss einen durchschnittlichen Tagesumsatz geben und der Streubesitz darf nicht unter 500 Millionen Euro liegen“, berichtet Büttner. Bei dem Fall handelt es sich um das Übernahmeangebot der Heidelberger Beteiligungsholding an die Aktionäre von Biofrontera.
Nach diesem Urteil habe die Bafin ihre Verwaltungspraxis angepasst und darf seitdem Transaktionen untersagen, die diese Kriterien nicht erfüllen – wie im Fall 4Basebio/Kromi Logistik. Die Konsequenz daraus: „Für viele kleine und mittelgroße Firmen wären Aktientauschangebote mangels Barbestand zwar attraktiv, aber weil sie nicht alle Kriterien erfüllen, kaum umsetzbar“, kritisiert der Rechtsanwalt.
„Für viele Mittelständler wären Aktientauschangebote mangels Barbestand zwar attraktiv, aber weil sie nicht alle Kriterien erfüllen, kaum umsetzbar.“
Siegfried Büttner
Alternativen gibt es für die Unternehmen keine: Auch bei gemischten Bar- und Aktientauschangeboten besteht der Arbeitsaufwand und es gelten die gleichen, strengen Kriterien. Mit einem Listing im Ausland lassen sich die Hürden ebenfalls nicht umgehen: „Um die Liquiditäts- und Handelsanforderungen zu erfüllen, braucht man ein Listing an einem regulierten Markt in der EU – gegebenenfalls durch ein Dual Listing“, sagt Büttner. So werden zum Beispiel auch die Aktien des neu formierten Unternehmens von Adva Optical und Adtran sowohl an der Nasdaq als auch in Frankfurt gehandelt.
Aktientausch: deutsches und EU-Recht widersprechen sich
Aktientauschangebote sind in Deutschland so schwierig umzusetzen, da die strengen Anforderungen an die Dokumentation und die Liquidität der Aktie die Rechte der Aktionäre schützen sollen – zum Leidwesen der Unternehmen. Das Gerichtsurteil zum Präzedenzfall wurde in der Community mit Verwunderung aufgenommen, ist aus dem Markt zu hören. Vor allem, da Tauschangebote in vielen europäischen Nachbarländern wie in den Niederlanden oder Luxemburg leichter durchzuführen seien – und der Trend auf europäischer Ebene ohnehin dahin gehe, Aktientauschangebote einfacher zu gestalten.
Das deutsche Recht wird zum Teil sogar als Widerspruch zur weniger strengen EU-Regelung wahrgenommen: „Die EU hat die Komplexität der Transaktionen erkannt und für Aktientauschangebote mit bereits gelisteten Aktien sogar eine Ausnahme geschaffen“, ergänzt der Rechtsanwalt. In diesem Fall sind Informationen über die Bietergesellschaft und deren Aktien bereits öffentlich verfügbar, daher müsse der Bieter keinen kompletten Prospekt verfassen, sondern es reiche ein reduziertes Dokument.
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Kurzfristig dürfte sich an dieser Lage allerdings nichts ändern. „Das ist natürlich schwer abzuschätzen, aber ich vermute, sollte das Gesetz angepasst werden, geschieht dies eher mittelfristig“, glaubt Büttner. Kommt es zu einer Reform, hat der Kirkland-Anwalt schon konkrete Wünsche: „Der Begriff der Liquidität muss eindeutig definiert werden und idealerweise so, dass auch kleinere Unternehmen, die die aktuellen Anforderungen an den Streubesitz nicht erfüllen, Aktientauschangebote in der Zukunft durchführen können.“
Sein Vorschlag: Anstatt den Streubesitz zu messen, könnte die Aufsicht die Handelsaktivität der vergangenen Monate prüfen und einen Mittelwert bilden. Die Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die auszugebenden Aktien schon vor der Offerte im Handel sind.
Olivia Harder
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.